Zwischen Deutschland und Polen - Von Gartz nach Przecław

Fabio wollte eigentlich früh raus, aber so leicht war das mit dem Aufwecken dann doch nicht. Das Frühstück wollten wir unterwegs in Mecherin nehmen, aber Fabio hatte Angst, dass es dann dort nichts gibt. So sind wir zuerst in die Gegenrichtung gelaufen, um dann festzustellen, dass das Cafe dort morgens noch nicht geöffnet hatte. Also schauten wir uns noch ein wenig den Ort Gartz an. Der Ort hatte auf jeden Fall schon einmal bessere Zeiten erlebt. Als wir gestern 6 km vor Gartz waren, dachten wir noch, dass da ein richtig großer Ort kommt, denn die Kirche wirkte sehr wuchtig und Speicheranlagen an der Oder waren weithin sichtbar. Tatsächlich ist das stolze Erbe noch sichtbar, aber gerade im Zentrum gibt es Zweckbauten im DDR-Einheitsgrau und ganz viel Leerstand. An der Hauswand sieht man noch den ehemaligen Straßennamen "Ernst Thälmann Straße". Jetzt heißt die Straße wieder "Pommernstraße" und an der Hauswand hängt ein Transparent, das das Haus zum Kauf anbietet. So zumindest unsere Vermutung, denn das Transparent war in polnischer Sprache.
Wir fanden im Ort einen kleinen Dorfladen und kauften ein paar Brötchen ein. Dann ging es an die Oder und dort erlebten wir doch noch ein Stück von der Pracht von Gartz. Hier startete eine kleine Regatta mit 8 Dampfschiffen der historischen Flotte aus Berlin. Auch diese Schiffe fuhren alle nach Stettin. Das war ein tolles Spektakel und gerade in diesem Bereich von Gartz mit seinen kleinen Häusern wirkte das ganz besonders schön.
Wir gingen nun weiter in Richtung Mecherin.


Wir hatten tolles Wetter und die Strecke ist sehr attraktiv. Bis Mecherin gab es auch noch viel Schatten - ideale Bedingungen. Fabio hatte übrigens Recht, denn in Mecherin war tatsächlich das Geschäft am Campingplatz geschlossen.
Nun hatten wir ein Stück des Weges entlang einer Bundesstraße bis wir in den letzten Ort auf deutscher Seite kamen. Der Ort heißt Staffelde und besteht praktisch nur aus einer großen Hühnerzucht und ein paar Häusern. Staffelde ist übrigens die einzige Ortschaft, die nach vorübergehender polnischer Verwaltung zwischen 1945 und 1951 wieder deutsch wurde (im Austausch zum sog. Swinemünder Sack). Hinter Staffelde lieferte meine Wanderapp kein echtes Ergebnis für den richtigen Weg. Tatsächlich konnte man aber prima entlang der Grenze laufen. Problematischer wurde es, als wir wieder auf dem offiziellen Weg waren, denn der war einfach nicht sichtbar. Hier mussten wir uns durch Gebüsch am Rand eines Getreidefeldes schlagen. Das war recht mühsam, aber irgendwann landeten wir tatsächlich wieder in einer Siedlung und diese war diesmal in Polen. Als wir dann Häuser erreichten, war Fabio doch begeistert. Wir brauchten noch einige Zeit, um die Getreidespelzen aus den Socken zu entfernen, denn die können recht störend sein.

Über Grenzen gehen

Letztlich sind wir bei unserer Wanderung oft über Grenzen gegangen. Manchmal hat es Überwindung gekostet und Fabio war auch an seine körperlichen Grenzen gekommen. Ich erinnere mich noch, wie stolz Fabio mit 8 Jahren war, als er die saarländische Grenze überschritten hat. Es folgten viele Landesgrenzen und natürlich auch der ehemaligen innerdeutsche Grenze. Es war aber auch die Grenze vom Kind zum Jugendlichen, die überschritten wurde. Nun haben wir unmerklich die Grenze zwischen Deutschland und Polen überschritten. Der Horizont ist immer weiter geworden.

Weiter ging unser Weg entlang einer asphaltierten Straße. Unsere Wasservorräte waren dann irgendwann aufgebraucht und wir erhofften uns, im nächsten Ort einen kleinen Laden zu finden. In Kamieniec fragten wir dann auch Leute auf der Straße nach einem Geschäft und bekamen die Antwort, dass es leider nichts der Nähe gibt. Kurze Zeit später kam ein Mann aus dem Haus gelaufen und schenkte uns zwei Flaschen Wasser. Wir waren total begeistert und so ging es weiter. Es ist einfach ein schönes Gefühl, wenn vollkommen unbekannte Menschen so hilfsbereit sind.
Wieder hatten wir das Problem, dass ein Weg auf der Karte eingezeichnet war, aber in Wirklichkeit nicht existierte. Diesmal war das aber kein so großes Problem, denn wir gingen über ein abgeerntetes Rapsfeld. Nun wurde es relativ schnell immer urbaner. In Kołbaskowo gab es noch einen kleinen Laden, wo wir uns ein Eis kauften (sogar in Euro) und dann überquerten wir die Autobahn und gingen an einem riesigen Lager von Amazon vorbei.
Kurze Zeit später hatten wir schon freie Sicht auf Stettin. Das ist natürlich ein ganz besonderes Gefühl, wenn man das Ziel schon vor Augen hat. Am 3. Oktober 2014 hatten wir beschlossen, nach Stettin zu wandern - am 18. Oktober gingen wir den ersten Schritt in Richtung Stettin und nun am 13. Juli - dem 50. Wandertag - haben wir das Ziel vor Augen. Przecław erreichten wir dann doch früher als gedacht und ehe wir in die Wohnung gehen konnten, besuchten wir dann noch eine Pizzaria und Fabio bekam eine "Döner-Pizza" und war ganz begeistert. Stress gab es nun noch, weil Miao und Alia Probleme mit dem Auto hatten, aber auch da fand sich bald eine Lösung.
Als wir die Wohnung beziehen konnten, empfing uns eine nette Frau, die kein Englisch sprach, mit der wir uns aber mit Händen und Füßen verständigen konnten. Wir hatten eine richtig schöne Ferienwohnung mit viel Platz und machten uns nun noch einen ruhigen Abend.
Wir sprachen noch ein wenig über die vielen Erlebnisse der Tour und ich wurde auch ein wenig wehmütig, doch der Stolz und die Dankbarkeit waren größer.