Schneller als der Regen

Für diesen Tag hatten wir uns nicht zu viel vorgenommen. Nur bis Zahna sollte es gehen und Fabio kann gut einschätzen, dass er bei 16 km nicht an die Schmerzgrenzen gehen muss. Schmerzhaft war für ihn eher das Aufstehen. Da war er doch etwas mürrisch und kam erst nach mir zum Frühstück in der Jugendherberge. Wenn ich nicht gesagt hätte, dass es auch Kaiserschmarren und Hackbällchen gibt und davon gar nicht mehr so viele übrig sind, wäre Fabio wohl überhaupt nicht aus dem Bett zu kriegen.

Ich dachte schon, dass Fabio vielleicht etwas zäh unterwegs ist. Das hatten wir schon einmal. Da wusste er, dass die Strecke relativ kurz war und er lief vollkommen ohne Elan los. Diesmal war es ganz anders. Wir schauten uns noch ein paar Stellen in Wittenberg an und dann ging es "richtig" los. Am Anfang hatten wir noch strahlenden Sonnenschein, aber es zog schnell zu. In einem REWE tauschten wir unser Leergut ein, besorgten aber nicht zu viel Ersatz.

Wie so oft ist der Stadtrand nicht die attraktivste Wanderstrecke. Es gab sogar einen Bereich, der uns stark an einen chinesischen Stadtrand erinnerte. Lehmboden, niedrige durchgehende Bebauung mit Ziegelsteinen, etc.

Manchmal frage ich mich, woher die Straßennahmen dann kommen. Die Straße hat nun überhaupt nichts mit einem Künstler oder Komponisten zu tun, aber viele Straßen werden phantasielos nach Künstlern benannt. Fabio hatte gleich schöne Ersatznahmen gefunden.

Bald wurde die Strecke aber attraktiver, denn es ging durch ein ehemaliges militärisches Sperrgebiet und das ist oftmals ein sehr naturbelassener Raum. Dieser Bereich zählt schon zum Naturpark Fläming mit recht sandigen Böden. Fabio war gut gelaunt und fragte mich z. B., ob ich Dieter Bohlen mag. Ich meinte, dass er mir nicht so sehr gefällt, weil sein Umgang mit anderen Menschen mir respektlos erscheint. Fabio fragte mich dann immer wieder, ob ich irgendeine schlimme Person oder Dieter Bohlen lieber mag … Am Ende meinte ich dann, dass Dieter Bohlen wohl doch mein Freund sein müsse.

Später ging es zum kleinen Ort Bülzig. Ich sagte noch zu Fabio, dass dies vermutlich so ein Nest ist, das kein Mensch kennt. Ab und zu schaue ich dann auf Wikipedia nach, ob der Ort auch etwas interessantes zu bieten hat.

Und tatsächlich, 1954 wurde Rainer Haseloff (aktueller Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt) in Bülzig geboren. Ein Jahr später wurde mit Frank Wartenberg ein weiterer Promi geboren. Frank Wartenberg gewann bei den Olympischen Spielen in Montreal die Bronzemedaille im Weitsprung für die DDR.

Schön, dass man dem Ort Bülzig nicht ansieht, dass der Ministerpräsident ein Kind des Dorfes ist.

In China wäre es üblich, dass die ganze Familie vom Aufstieg eines Familienmitgliedes profitiert. Ich denke aber auch an Félix Houphouët-Boigny der seinen Geburtsort Yamoussoukro zur Hauptstadt der Elfenbeinküste machte.

Doch dann gab es in Bülzig doch noch etwas zu Sehen – Ein kleiner Skulpturenpark stellt eine sehr schöne Symbiose zwischen Kunst und Natur. Der Anblick einiger Skulpturen war sehr eindrucksvoll da in der Zwischenzeit auch die Bewölkung bedrohlich wirkte. Es war jetzt aber auch nicht mehr weit bis zu unserer Unterkunft in Zahna.

Hinter Bülzig ging es durch den Wald und dann kam er doch noch – der Regenguß. Wir schafften es aber noch nach Zahna, ohne dass wir durchnäßt waren. Unsere Unterkunft konnten wir noch nicht beziehen, aber der nahegelegene Ratskeller Zahna hatte geöffnet und so gönnten wir uns dort einen Kaffee bzw. Tee. Die Bedienung war doch recht unmotiviert. Da die Gaststätte aber am Abend schon recht früh schließt, beschlossen wir dort auch gleich das Abendessen zu nehmen. Das war in Qualität und Preis ganz OK und Fabio war sehr zufrieden mit dem Tag.

Als wir dann unsere Unterkunft bezogen haben, machten wir uns einen gemütlichen Abend mit einem Tatort aus Münster.