Hanau - Linsengericht

An diesem Tag starteten wir besonders früh, denn wir wollten vor der vorhergesagten großen Hitze und den angekündigten Gewittern möglichst weit kommen. Ich sagte, zu Fabio, dass wir dann irgendwo unterwegs Frühstücken könnten.

Um es gleich zu sagen: Dieser Plan war Mist.
Schon kurz hinter unserer Unterkunft begann der Wald und durch den ging es nun lange – sehr, sehr lange …
Kein Haus war weit und breit und die Wasserflaschen, die wir in Hanau aufgefüllt hatten, waren schnell ausgetrunken. Das Gebiet war aber durchaus interessant. Hier liegen Reste des Limes und das Gebiet zwischen Hanau und Steinau ist auch geprägt von den Gebrüdern Grimm. Unser Weg ging über weite Strecken entlang des "Hessenweg Brüder Grimm". In diesem Wald ist uns praktisch kein Mensch über den Weg gelaufen.
Sehr gerne möchte ich Fabio auf unserer Tour auch ein paar kleine geographische Sachen vermitteln, selbst wenn man sie nicht sieht (z. B. der 50° Breitengrad bei Mainz). Hier wählte ich nun einen Weg der sehr lange genau entlang der Grenze zwischen Hessen und Bayern ging. Fabio wollte lieber auf der bayrischen Seite gehen, da er dort Thomas Müller und dem FCB näher ist. Wir hatten immer wieder viel gelacht und auch ein paar schön Naturbeobachtungen machen können – so haben wir dort auch Schwarzspechte gesehen.
Fabio war aber ohne Frühstück nicht ganz so happy. Außerdem war es heiß und schwül und wir wurden oft von Mücken gestochen. An der Grenze zwischen Bayern und Hessen gab es auch praktisch keine Bänke - also eine echte Bankenkrise. Offensichtlich haben beide Bundesländer gedacht, dass das jeweils andere Bundesland sich darum schon kümmern wird. Mehr als 5 km gingen wir genau entlang dieser Grenze. Wirtschaftlich profitiert hat aber nur Hessen. Bayern hatte uns ja nichtmals einen Sitzplatz anbieten können ...
Nach 13 km kamen endlich die ersten Häuser und im Ort Somborn/Freigericht (in Hessen) konnten wir Essen und Getränke einkaufen.
Zumindest vom Namen her konnten wir nun annehmen, dass unser Ziel „Linsengericht“ nicht mehr so weit entfernt liegen kann. Fabio ist ein großer Freund von Linsensuppe und freute sich schon insgeheim auf ein Linsengericht in Linsengericht. Allerdings kommt der Name nicht von einem Essen mit Linsen, sondern von „Lindengericht“ also einem Gerichtsort unter einer Linde.
Unser Weg stieg hinter Horbach nun langsam an und es wurde auch immer schwüler. Als es wieder durch den Wald ging, gab es bei Fabio einen ständigen Wechsel der Kleider. Natürlich war ihm sehr heiß, aber auf der anderen Seite gab es nun ständig Mücken, die nervten.

Man kann aber nicht sagen, dass Fabio genervt war. Von ihm gab es keine Beschwerden. Ganz im Gegenteil - nachdem es das Mittagessen in Somborn war Fabio mit sich und der Welt versöhnt.
Auf die Wettervorhersage war an dem Tag verlass und das Gewitter war mit einem ordentlichen Wolkenbruch verbunden. Auch das war für Fabio kein Problem und der starke Anstieg war für ihn kein Problem. Für mich dagegen war es etwas schwieriger, denn der Regen war so stark, dass ich nicht mehr kontrollieren konnte, ob wir auf dem richtigen Weg waren. Völlig durchnässt kamen wir dann aber doch an der Jugendherberge Linsengericht an. Zu diesem Zeitpunkt war die Rezeption noch nicht besetzt und so mussten wir in unseren nassen Kleidern noch ein wenig warten.
Irgendwie war das dort etwas komisch, denn die Jugendherberge war komplett von Anhängern des Indischen Gurus Sathya Sai Baba belegt, die die Jugendherberge für ein Seminar gebucht hatten. Im Flur und in jedem Zimmer gab es einen kleinen Altar und überall hingen Bilder von dem Guru. Fabio hatte sich ganz fasziniert das Bild des Gurus angeschaut und dann nur gemeint „Der sieht so aus, wie der Dante“ (nicht Dante Alighieriein, sondern der brasilianische Fußballspieler).
Die Leute waren aber sehr freundlich und man konnte sich auch über normale Dinge unterhalten. Bei der Essensausgabe hatten wir sogar einen organisatorischen Vorteil – wir konnten direkt anfangen und die anderen mussten erst noch singen ;-).
Die Jugendherberge in Linsengericht ist eher auf Gruppen und weniger auf Familien ausgelegt und nicht so komfortabel wie eine Einrichtung der Kategorie 4(+). Wir hatten aber dennoch ein eigenes Zimmer. Bis zur Bettruhe haben wir noch Tischtennis gespielt.
Ich bin mal gespannt, ob ich später in Stettin auch noch gegen Fabio gewinne.