Von Bad Kreuznach nach Bingen
Am nächsten Tag war der Wind nicht mehr ganz so stark. Unser Ziel war die Jugendherberge Bingen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst, dass die Jugendherbergen einige interessante Serviceleistungen anbieten. So kann man gegen eine kleine Gebühr sein Gepäck von einer Jugendherberge zur nächsten fahren lassen. Eventuell werden wir das bei einer kommenden Etappe dann mal nutzen können.
Von der Jugendherberge ging es bergab in die Stadt. Auf der Straße lagen viele kleine, aber auch größere Äste vom Sturm. Teilweise hatten wir aber auch einen tollen Blick auf Bad Kreuznach und einen zerissenen Himmel. In der Stadt haben wir uns dann noch mit Blasenpflaster und Verpflegung eingedeckt.
Bad Kreuznach ist mit seinen mittelalterlichen Brückenhäusern sehr schön. Früher waren wir häufiger in dort, weil Miao bei einem Unternehmen in Bad Kreuznach ihre Diplomarbeit geschrieben hat. Fabio war damals aber noch ganz klein und hat natürlich keine Erinnerungen mehr daran.
Gleich hinter Bad Kreuznach gingen wir dann durch Weinberge. Eigentlich eine tolle Strecke, aber es hat nur so geschüttet und der Wind peitschte uns um die Nase.
Fabio war aber ganz tapfer und beschwerte sich nicht. Ich glaube, es hat ihm sogar Spaß gemacht. Der Wind war so stark, dass man kaum miteinander reden konnte.
Irgendwann gab es aber auch wieder Regenpausen und dann kam sogar die Sonne hervor.
Hinter Winzenheim ging es mitten durch den Wald bergab. Das war die reinste Rutschpartie auf dem aufgeweichten Boden, aber zum Glück war zu dem Zeitpunkt der Wind nicht stark. Sturm ist in einem Wald nicht ohne Gefahr und ich wäre sicherlich bei Sturm diesen Weg nicht gegangen.
Überhaupt sind wir diesen Weg nur gegangen, um eine alte Eremitage zu besuchen, die vor rund 1000 Jahren in den roten Sandstein gegraben wurde.
Es ist für mich immer wieder beeindruckend, was Menschen mit hoher Opferbereitschaft leisten können.
Da der Weg nun sehr matschig war, gingen wir teilweise auf der Bahnstrecke in Richtung Langenlonsheim. Dort konnten wir uns in einem Restaurant aufwärmen die Kleider konnten ein klein wenig trockener werden. Beim Essen haben wir uns auch Zeit gelassen. Außerdem haben wir uns bei unseren Mädels gemeldet, die sich bei dem Wetter schon große Sorgen um uns gemachten haben.
Weiter ging unser Weg durch Weinberge und Pfade. Immer wieder gab es einen kräftigen Regenguss und die Füße taten in den nassen Socken weh. Wir hatten aber viele interessante Gespräche. Es ist manchmal schwierig einem Kind Antworten auf alle Fragen zu geben, aber ich merke, dass man mit 9 Jahren nicht mehr "nur" Kind ist, sondern auch Geschichte verstehen will. Wie war es möglich, dass jemand wie Hitler an die Macht kam? Noch unglaublicher für Fabio war aber, dass früher ein Deutscher und eine Chinesin nicht einfach heiraten konnten, was in Südafrika ja noch bis in die 80er Jahre verboten war. Ich denke, dass wir auf unserem Weg nach Stettin noch zahlreiche Denk- und Mahnmale der deutschen Geschichte sehen werden. Auch das soll ein Teil unserer Reise sein. Für heute hatten wir aber genug vom Regen und Wind und da der nächste Starkregen ich schon ankündigte, nahmen wir für das kleine Reststück von Münster-Sarmsheim nach Bingen den Bus.
Miguel de Cervantes (Autor des Don Quijote) sagte mal "Der Weg ist immer besser als die schönste Herberge." Ich denke, dass diese Aussage Quatsch ist. Zumindest freuten wir uns an diesem Tag unglaublich auf eine trockene und warme Unterkunft.
Die Jugendherberge Bingen ist topmodern mit schönen Zimmern, einem Aufzug und modernen Aufenthaltsräumen. Für den heutigen Tag war der größte Luxus aber die Ausstattung mit zwei Heizkörpern und einem Handtuchwärmer.
So konnten wir unsere Kleider und Rucksäcke trocknen. Noch ein reichhaltiges Abendessen in der Jugendherberge und dann ein paar Spiele und zeitig ins Bett.
Innerlich war ich sehr stolz auf meinen Sohn. Viele Kinder hätten bei dem Regen vermutlich gestreikt, aber Fabio hatte nie geklagt. So kann es weiter gehen.