Der Start: Jede Wanderung beginnt mit dem ersten Schritt

„Das Geheimnis des Vorwärtskommens besteht darin, den ersten Schritt zu tun.“,

so sagte Mark Twain und am Samstag, den 18. Oktober ging es dann tatsächlich los. Zuerst noch ein gemeinsames Frühstück mit der ganzen Familie. Miao hatte für Fabio einen Rucksack gekauft und wir hatten auch einiges an Gepäck. Der Start hätte nicht besser sein können, denn es gab nun ein paar goldene Oktobertage. Nach dem Abschied von Alia und Miao ging es dann für uns los. Schon nach wenigen Metern machten wir den ersten Stopp, denn in unserem kleinen Lieblingsladen um die Ecke kauften wir noch ein paar Fleischwürstchen und Brötchen für die Tour. Fabio erzählte natürlich, dass es nun auf Wanderschaft geht und da bekam er auch gleich noch einen Lutscher als Wegzehrung mit.
Ich selbst dachte an meine Kindheit. Mein absolutes Lieblingsbuch war damals "Feuerschuh und Windsandale ". In dem Buch geht der kleine Junge Tim mit seinem Vater (ein Wanderschuster) auf Wanderschaft. Die Familie ist arm und der Junge dick. Daher wird Tim in der Schule oft gehenselt und er wünscht sich, ein anderer Mensch zu sein. Auf der Wanderung geben sich Vater und Sohn neue Namen. Der Junge war "Feuerschuh" und der Vater "Windsandale". Nun war ich selbst quasi "Windsandale". Fabio war auch ein wenig wie dieser Tim. Wir waren damals gerade zur Einschulung nach Illingen gezogen und anfangs wurde Fabio oft als "Schlitzauge" beleidigt. Unserem Sohn war es vorher nie so richtig bewusst, dass er als Halbchinese etwas anders aussah. "Ich will kein Chinese sein!" sagte er in dieser Zeit oft weinend. Zum Glück hat sich das alles gebessert. Fabio hat viele Freunde und kann sich akzeptieren, so wie er ist.

Aber wie wird nun diese Tour laufen? Wird Fabio auch nach einigen Kilometern noch Lust auf die Tour haben?
Jetzt ging es erst mal um Selbstbeherrschung, denn den Lutscher wollte Fabio natürlich gleich. Ich meinte aber, dass er ihn sich noch etwas aufheben soll, wenn die Beine müde werden. Zunächst ging es immer bergauf, aber die Landschaft ist wunderbar offen und schön. Hinter Hüttigweiler kommt eine Strecke, die bei Joggern sehr beliebt ist. Nun war der Lutscher bei Fabio fällig. Etwas später (Kilometer 8) musste dann auch ein Würstchen her. Lustig dabei war, dass wir natürlich derselben Laufgruppe gleich zweimal begegneten und Fabio war es etwas peinlich, dass er auch beim zweiten mal einen vollen Mund hatte.
Wir kamen aber erstaunlich gut voran und Fabio war auch sehr gut gelaunt. Ein Mann begegnete uns auf der Tour und war sehr erstaunt, dass Fabio so freundlich war.
Anschließend sagte Fabio mir, dass es doch für ihn eine Selbstverständlichkeit ist, freundlich zu Grüßen. Später begegneten wir eine Gruppe von Wanderern im Wald und alle grüßten Fabio freundlich. Von Fabio kam aber keine Antwort. Ich fragte Fabio, warum er denn jetzt nicht mehr so freundlich sei? "Ich habe jetzt auch keine Kraft mehr, um IMMER zu Grüßen!"
Tatsächlich hatte Fabio zu dem Zeitpunkt keine Vorstellung, was so eine Wanderung ist. Vielleicht erwartete er hinter jeder Kurve schon das Ende der Tagesstrecke.
Eine kleine Pause machten wir dann in Marpingen am ehemaligen Grubenstollen. Unsere Region ist geprägt vom Bergbau und doch haben wir hier eine sehr ländliche Gegend. Tatsächlich ist das Saarland sogar eine der waldreichsten Regionen in Europa. In der Gegend von Marpingen soll es 1876/77 Marienerscheinungen gegeben haben. Also waren wir besonders wachsam, ob es neben Rehen, Wildschweinen etc. ausgerechnet für uns eine Extraerscheinung gibt. Es lief aber wie in einem bekannten Saarländischen Witz. In dem Witz konnten sich der Papst, Jesus und Maria nicht einigen, wo sie ihr Weihnachtsessen machen sollten. Der Papst wollte das Essen nicht in Rom machen, weil er da schon so oft war. Da schlug Maria Marpingen vor "da war noch keiner von uns".
Weiter ging unsere Wanderung durch den Ort Rheinstraße, der zu Marpingen gehört. Hier gönnten wir uns eine Stärkung in einem Biergarten, denn es wurde an dem Tag ungewöhnlich warm.
Nun zeichnete sich schon ein kleines Problem ab, das ich bei der Tour nicht bedacht hatte. Mit meiner Wanderapp Outdooractive.com konnte ich Wanderkarten lokal speichern und die Navigation war sehr einfach. Was ich aber unterschätzt habe, war der Akkuverbrauch, wenn durch einen Wald das GPS-Signal empfangen werden muss und außerdem das Display oft aktiv ist (viele der Wandertipps stammen von der ersten Tour ;-).


Kurz hinter Rheinstraße konnte ich daher das Display nur noch sporadisch einschalten, um jeweils festzustellen, dass wir vom Weg abgekommen sind.
Für Fabio kam nun auch der schwierigste Teil der Wanderung, denn die Kräfte waren weg und er machte total schlapp. Es ging sogar so weit, dass ich ihn ein Stück tragen musste.
Gutes Zureden war zwecklos. Rettung kam ganz unerwartet. Fabio sah plötzlich ein Straßenschild mit der Aufschrift "Globus". Für ihn war dann klar, dass wir kurz vor dem Ziel sind. Zwar war das Schild nur für den Globus Baumarkt, der außerhalb von St. Wendel liegt, aber plötzlich wurden bei Fabio wieder neue Kräfte frei.
Am Ortseingang von St. Wendel standen ein paar Trimm-dich-Geräte und dort konnte er dann gleich wieder rennen und strampeln. Es ist wirklich unglaublich, was die Psychologie mit einem macht und das zeigte sich auch an anderen Tagestouren. Jetzt gingen wir noch in den richtigen Globus, um ein paar Kleinigkeiten zu besorgen. So kauften wir eine Nagelschere, denn ein eingerissener Fußnagel ärgerte mich schon seit einigen Kilometern. Wenn es einen Tipp für eine Wanderung gibt, dann der, dass man auf die Füße aufpassen muss.
Sehr hilfreich sind auch Blasenpflaster, die ein Gelpolster bilden. Prophylaktisch hatte ich mir die an die Fersen geklebt, was ich nur empfehlen kann.
In St. Wendel waren wir in einem schönen Hotel (Posthof) untergebracht. Hier ruhten wir uns erst etwas aus, um dann in St. Wendel noch zum Abendessen zu gehen. St. Wendel ist sogar ein recht lebendiges Städtchen. Wir waren im Restaurant Manin und Fabio genoss dort eine "Riesencurrywurst". Ein toller erster Tag ging seinem Ende zu. Unsere Tagesetappe war über 23 km lang. Da wir uns hin und wieder verlaufen haben, kommen vielleicht noch 2 km Umwege dazu.
Wer so viel läuft, darf dann auch noch ein Eis essen.